Tarif­streit ÖD und Post

Alle Räder ste­hen still …

U. D.

Die von der Ver­ei­nig­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft (ver.di) und dem Deut­schen Beam­ten­bund (dbb) orga­ni­sier­ten Warn­streiks bei der Post AG und im Öffent­li­chen Dienst waren deut­li­che Signa­le der Kampfbereitschaft.

Poststreik von ver.di in Mannheim, 27. Januar 2023. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Post­streik von ver.di in Mann­heim, 27. Janu­ar 2023. 
(Foto: helmut-roos@web.de.)

Beson­ders beein­dru­ckend war die Still­le­gung gro­ßer deut­scher Flug­hä­fen. Die­se mas­si­ven Arbeits­nie­der­le­gun­gen waren die rich­ti­ge Ant­wort auf die dreis­ten „Ange­bo­te“ der öffent­li­chen „Arbeit­ge­ber“ und der Post AG. Die­se lie­gen näm­lich sehr deut­lich unter­halb der offi­zi­el­len Teue­rungs­ra­te. Sie sind ein kla­res Zei­chen dafür, dass die Real­löh­ne wei­ter gesenkt wer­den sol­len, um die öffent­li­chen Kas­sen zu „ent­las­ten“ bzw. die Rekord-Pro­fi­te der Post AG noch mehr zu erhö­hen. Die Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie von 3.000 Euro soll dabei wie in ande­ren Bran­chen als Beru­hi­gungs­pil­le für die Beschäf­tig­ten dienen.

Dage­gen for­dern die Gewerk­schaf­ten und ihre Mit­glie­der zurecht einen Infla­ti­ons­aus­gleich, der die Tari­fent­gel­te stei­gert. Sie wol­len sich nicht mit einer Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie zufrie­den­ge­ben, son­dern tabel­len­wirk­sam ihre Kauf­kraft sichern.

Erpres­se­ri­sche Provokation
Die Füh­rung der Post AG hat trotz höchs­ter Pro­fi­te gedroht, bei einem hohen Tarif­ab­schluss Unter­neh­mens­tei­le aus­zu­glie­dern. Die­se offe­ne Kampf­an­sa­ge soll die Beschäf­tig­ten und ihre Gewerk­schaf­ten ein­schüch­tern und zum Nach­ge­ben zwin­gen. Die­ser Erpres­sung muss in Wort und Tat ent­schie­den ent­ge­genge- tre­ten werden.

Das Ver­hal­ten der Spit­ze der Post AG ist jedoch kein Ein­zel­fall, son­dern knall­har­ter All­tag in zahl­lo­sen Unter­neh­men. Zum einen ist dies mög­lich, weil in den letz­ten Jahr­zehn­ten das Unter­neh­mens- und Arbeits­recht zum Nach­teil der Beleg­schaf­ten ver­schlech­tert wur­de. Zum ande­ren, weil „sozi­al­part­ner­schaft­lich“ ori­en­tier­te Gewerk­schafts­vor­stän­de und Betriebs­rä­te dage­gen kei­nen gemein­sa­men Kampf orga­ni­sie­ren wollen.

Angrif­fe auf Streikrecht
Anläss­lich der erfolg­rei­chen Flug­ha­fen­streiks for­der­ten die CDU-Mit­tel­stands­ver­ei­ni­gung und die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA) eine wei­te­re Ein­schrän­kung des Streikrechts.

Damit grei­fen sie direkt die arbei­ten­de Klas­se und deren Gewerk­schaf­ten ins­ge­samt an. Unver­blümt ver­fol­gen die­se Herr­schaf­ten eine knall­har­te kapi­ta­lis­ti­sche Poli­tik. Sie scheu­en nicht davor zurück, für ihre Pro­fit­in­ter­es­sen der wei­te­re Demon­ta­ge demo­kra­ti­scher Rech­te das Wort zu reden. Wäh­rend­des­sen träu­men man­che Gewerk­schafts­spit­zen wei­ter­hin von „Sozi­al­part­ner­schaft“, anstatt die­se Angrif­fe eben­so ent­schlos­sen zurückzuweisen.

Bran­chen­über­grei­fen­de Bedeutung
Die Tarif­run­den im Öffent­li­chen Dienst und bei der Post AG haben über ihre Bran­chen hin­aus eine poli­ti­sche Bedeutung.

Ers­tens fol­gen sie nicht der Tarif­po­li­tik der Gewerk­schaf­ten IGBCE und IG Metall. Die­se haben bewusst nied­ri­ge Tarif­er­hö­hun­gen ver­ein­bart und mit der Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie geschönt. Damit haben sie mas­si­ven Kauf­kraft­ver­lust akzep­tiert und dies als Erfolg einer „ver­nünf­ti­gen“ Tarif­po­li­tik verkauft.

Zwei­tens wer­den die Beschäf­tig­ten nicht mit der „sozi­al­part­ner­schaft­li­chen“ Pro­pa­gan­da des Maß­hal­tens berie­selt. Viel­mehr wer­den die For­de­run­gen mit den Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten begrün­det und eine Tarif­be­we­gung mit akti­vie­ren­den Aktio­nen und Streiks organisiert.

Drit­tens machen kämp­fe­ri­sche Tarif­run­den mit Dis­kus­sio­nen, Aktio­nen und Streiks die Kraft und die Not­wen­dig­keit gewerk­schaft­li­cher Klas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on erfahr­bar. Sie las­sen Kampf­erfah­rung ent­ste­hen und för­dern das Klassenbewusstsein.

Kri­ti­sche Soli­da­ri­tät von unten
Die Tarif­run­den im Öffent­li­chen Dienst und bei der Post AG brau­chen kon­kre­te Soli­da­ri­tät. Zum Bei­spiel durch sicht­ba­re Teil­nah­me an Tarifak­tio­nen und viel­fäl­ti­ge ande­re Soli­da­ri­täts­be­kun­dun­gen. Von beson­de­rer Bedeu­tung ist es, Soli­da­ri­tät in und mit den „eige­nen“ Gewerk­schaf­ten, Ver­trau­ens­leu­ten, Betriebs­rä­ten und Beleg­schaf­ten zu organisieren.

Soli­da­ri­tät darf jedoch nicht zu blin­dem Ver­trau­en gegen­über den Gewerk­schafts­spit­zen füh­ren. Schließ­lich wäre es nicht das ers­te Mal, dass die­se im ent­schei­den­den Moment zurückweichen.

Ein gutes Gegen­mit­tel ist es, eigen­stän­di­ge Ver­net­zun­gen akti­ver Gewerk­schafts­mit­glie­der auf­zu­bau­en. Damit kön­nen die Dyna­mi­ken die­ser Tarif­run­den und die vor­han­de­ne Kampf­be­reit­schaft genutzt wer­den, um das Ver­trau­en in die eige­ne Kraft noch mehr zu stär­ken und bes­se­re Tarif­ab­schlüs­se als bis­her durchzusetzen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2023
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