Solidarität statt Kapitalismus!
H. N.
„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ So formulierte es die Weltgesundheitsorganisation 1946, als die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und diktatorischer Re- gime wie des deutschen Faschismus noch unmittelbar bewusst waren.
Im heutigen neoliberalen Spätkapitalismus hat jedoch die Relativierung von Gesundheit und Freiheit Konjunktur. Einen aktuellen Beleg hierfür lieferte Anfang Januar 2022 FDP-Chef und Bundesfinanzminister Lindner beim Dreikönigstreffen seiner Partei. Er fabulierte dort, „Freiheit“ sei der wichtigste Wert des Grundgesetzes. Gesundheit sei zwar wichtig, habe sich aber der „Freiheit“ unterzuordnen. Schriller, aber in der Konsequenz nicht viel anders, klingt das Geschrei aus den Reihen der Impfgegnerschaft. „Lieber stehend sterben als knieend leben! Freiheit!!!“ lautet eine ihrer menschenverachtenden Parolen.
Zynismus bekämpfen
Die Corona-Politik der Herrschenden weltweit ist von klassenpolitischen Machtinteressen und zumeist von menschenverachtendem Zynismus geprägt. Statt den Schutz der Gesundheit und der Freiheit in das Zentrum einer Strategie zu stellen, dominieren dort die Profitinteressen von Konzernen, wahltaktische Überlegungen, autoritäre Tendenzen und entsprechende ideologische Positionierungen.
Ihre brutalste Zuspitzung findet diese Ge-mengelage in der Leugnung oder Relativierung der Gefährdung durch SARS-CoV-2. In einer weniger zugespitzten, aber dennoch unzählige Menschenleben kostenden Form steht dafür die Behauptung von der unvermeidlichen und sogar wünschenswerten Durchseuchung der Bevölkerung.
Um die vorherrschende „marktorientierte“ und planlose Politik zu verschleiern, reden die Regierenden auch hierzu- lande davon, dass man in der Pandemie „auf Sicht fahren“ müsse.
Folgenschwere Blindfahrt
Die Folgen dieses eher als Blindfahrt zu bezeichnendem Reagieren sprechen eine eindeutige Sprache. Seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren wurden weltweit offiziell rund 5,7 Millionen Corona-Tote gezählt, in Deutschland sollen es fast 118.000 Tausend sein (Zahlen nach Johns Hopkins Coronavirus Ressource Center, Stand 31.01.2022). Die wirklichen Zahlen sind jedoch in fast allen Ländern um ein Vielfaches höher (nach The Economist, 16.01.2022).
Hinzu kommen Millionen an Long-COVID leidende Menschen global und Hunderttausende hierzulande. Genaue Zahlen zu diesem Geschehen gibt es nicht. Internationale wissenschaftliche Studien gehen aber davon aus, dass bis zu 70 % der mit SARS-CoV-2 Infizierten unter einem oder mehreren Long-COVID-Symptomen leiden könnten (laut Stanford University, Mai 2021). In Deutschland sind es Schätzungen zufolge etwa 500.000 Menschen.
Grundrechte verteidigen
Zur Erinnerung: Im Grundgesetz (GG) steht nicht zufällig an erster Stelle die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und das Bekenntnis zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten“. Im danach folgenden Artikel 2 GG heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Dies ist zugleich mit dem Sozialstaatsgebot in Artikel 20 GG die elementare rechtliche Grundlage für einen verpflichtenden und vorbeugenden Gesundheitsschutz.
Durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 1996 (2013 aktualisiert) ist auch in der gesamten Arbeitswelt – von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – ein präventiver, ganzheitlicher Gesundheitsschutz zwingend vorgeschrieben. Ganzheitlich meint die Abwehr sowohl physischer als auch psychischer Gesundheitsgefährdungen.
Verpflichtender Infektionsschutz
Grundsätzlich orientiert sich daran der Infektionsschutz am Arbeitsplatz. Er ist durch die geltende SARS-CoV-2-Arbeitsschutz-Verordnung (Corona-ArbSchV) geregelt. Sie „dient dem Ziel, das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei der Arbeit zu minimieren und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen“. Die darauf aufbauende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel konkretisiert diese Anforderungen nach dem Arbeitsschutzgesetz. Beide Bestimmungen gelten aller- dings derzeit nur bis zum 19. März 2022 und sind unbedingt inhaltlich zu verbessern und weiter zu verlängern.
Gegenwehr organisieren
Die zwingenden rechtlichen Vorgaben für den Gesundheits- bzw. Infektionsschutz in der Arbeitswelt sind also eindeutig. Aber die Wirklichkeit sieht in den allermeisten Fällen ganz anders aus. Aus Unwissenheit, Unfähigkeit oder gar bewusst aus klassenpolitischen Interessen missachten oder bekämpfen Firmenleitungen und Interessen- verbände die gesetzlichen Vorgaben.
Nur der Aufbau einer sozialen und ökologischen Front, die bereichsübergreifend für klassenpolitische Solidarität in Zeiten der Pandemie eintritt, ist in der Lage, die Bekämpfung der herrschenden Politik mit der Abwehr der rechten, coronaleugnenden Bewegung konsequent zu verbinden.