Mehr als ein Antikriegslied?
M. G.
Neue Popularität hat Imagine durch die derzeitigen Antikriegsproteste erlangt. Dies zeigte sich etwa am 13. März 2022 bei der Kundgebung des Bündnisses „Stoppt den Krieg“ im Stuttgarter Oberen Schlossgarten. 35.000 Menschen sangen und summten dort das berühmte Lied voller Inbrunst.
John Lennon hatte den Song am 27. Mai 1971 in seinem englischen Privatstudio aufgenommen. Mit dabei war neben anderen Musikern sein alter Kumpel Klaus Voormann am Bass. Im Juli desselben Jahres erfolgte die finale Abmischung in New York.
Imagine gilt als Lennons größter Hit. In Wirklichkeit war es jedoch ein Lennon-Ono-Titel. Yoko hatte einen wesentlichen Beitrag zu Text und Konzeption von Imagine geleistet.
Imagine ist eine sehr politische Hymne. Sie ist laut Lennon mit einem musikalischen „Zuckerguss“ überzogen und deshalb weltweit bekannt geworden.
Gegen den Krieg
Der Liedtext beginnt − in deutscher Übersetzung – mit den Zeilen:
Stell Dir vor, es gibt keinen Himmel
Es ist ganz einfach, wenn Du es versuchst
Keine Hölle unter uns
über uns nur Himmel
Stell Dir vor all die Menschen
leben nur für heute
Und danach heißt es:
Stell Dir vor, es gibt keine Länder
es ist nicht schwer, das zu tun
Nichts, wofür es sich zu töten oder zu sterben lohnt
und auch keine Religion
Stell Dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden
Es sind vor allem diese letzten Zeilen, die Imagine zum Antikriegslied werden ließen.
Gegen den Kapitalismus
Imagine war für Lennon nicht nur ein internationalistisches, sondern auch ein antikapitalistisches Stück. Er bezeichnete es sogar als revolutionäre Musik. Imagine sollte dem Traum von einer sozialistischen Demokratie jenseits der bürokratischen Diktaturen im Osten neue Kraft verleihen.
Diese Hoffnung bringt die folgende Strophe zum Ausdruck:
Stell’ Dir vor es gibt keinen Besitz
Ich frag’ mich, ob Du das kannst
Keinen Grund für Gier oder Hunger
Eine Gemeinschaft der Menschen
Stell’ Dir vor, alle Menschen
teilen sich die ganze Welt
Gegen die Resignation
Anfang der 1970er Jahre gab es zwar viel mehr Menschen als heute, die sich für die Überwindung des Kapitalismus einsetzten. Aber schon damals waren politische Apathie und Resignation weit verbreitet.
John Lennon und Yoko Ono ignorierten keineswegs diesen Teil der Realität. Aber sie traten dem Skeptizismus mit der folgenden Strophe entgegen, die zur Betonung im Lied zwei Mal wiederholt wird:
Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer
Aber ich bin nicht der Einzige
Ich hoffe, eines Tages wirst Du Dich uns anschließen
Und die ganze Welt wird eins sein
Es ist keine Frage, dass gerade in Zeiten wie diesen Imagine kein verstaubter Song ist. Ganz im Gegenteil! Denn: „Wer keine Kraft zum Träumen hat, hat keinen Mut zum Kämpfen.“