ISO-Onlineveranstaltung mit Helmut Dahmer
R. G.
Der Aufschwung faschistischer Parteien setzt den antifaschistischen Kampf wieder ganz oben auf die Tagesordnung. Doch wie kann dieser erfolgreich sein, und welche Rolle spielt dabei die Einheitsfront? Um dies zu diskutieren organisierte die ISO am 12.07.2024 eine Onlineveranstaltung mit dem Titel „Was heißt Einheitsfront gegen Faschismus heute?“
Referent war der bekannte Sozialwissenschaftler Helmut Dahmer (Wien), ein ausgewiesener Kenner der Geschichte der Arbeiterbewegung. In seinem fundierten Vortrag ging er auf die Entstehung und die Entwicklung der Einheitsfronttaktik in den 1920er Jahren ein. Nicht zuletzt machte er deutlich, dass die Einheitsfront vor 1933 die einzige realistische Chance war, um Hitler und den Faschismus zu verhindern.
Der sozialdemokratische Verrat
Der Beginn des I. Weltkrieges stellte für die internationale Sozialdemokratie eine Zäsur dar. Sie warf den Internationalismus über Bord und unterstützte „ihre“ kriegsführenden Regierungen. Für den revolutionären Flügel der II. Internationale war die Sozialdemokratie damit ins bürgerliche Lager übergelaufen. Aus diesem Grund gründete er im Mai 1919 eine neue, die III. Internationale.
Die ersten Jahre der III. Internationale waren geprägt von der Abgrenzung gegenüber der Sozialdemokratie und der Ablehnung des sozial verkleideten Nationa- lismus. Die neuen kommunistischen Parteien versuchten, die traditionelle Bindung der arbeitenden Klasse zum sozialdemokratischen Reformismus aufzubrechen und die Mehrheit für sich zu gewinnen. Deshalb entwickelten Lenin und andere die Einheitsfronttaktik. Ihr zufolge sollten die Kommunistischen Parteien Reformisten gemeinsame Aktionen zur konsequenten Durchsetzung der Interessen der arbeitenden Klasse vorschlagen, dabei aber gleichzeitig ihre politische und organisatorische Eigenständigkeit wahren.
Die faschistische Tragödie
Im Verlaufe der 1920er Jahre setze sich in der Sowjetunion und in der III. Internationale der Stalinismus durch. Eine der Folgen war Ende der 1920er Jahre die Aufga- be der Einheitsfronttaktik. In Deutschland zeigte sich dieser Kurs in Form einer unversöhnlichen Gegnerschaft der stalinistischen Kommunistischen Partei (KPD) zur Sozialdemokratie (SPD).
Angesichts der faschistischen Bedrohung forderte Trotzki unermüdlich, aber vergeblich, die Bildung einer Einheitsfront von KPD und SPD. Doch die Führung der KPD folgte Stalins Linie und lehnte eine Einheitsfront mit der SPD strikt ab. Die SPD wiederum glaubte an die Widerstandskraft der Institutionen der Weimarer Republik und lehnte eine Zusammenarbeit mit der KPD ab. Am Ende konnte so der Faschismus in Deutschland – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ohne nennenswerten Massenwiderstand siegen.
Die aktuelle Bedeutung
Am Ende seiner Ausführungen ging Dahmer kurz auf die aktuelle Entwicklung in Frankreich ein. Mit dem Wahlsieg der Nouveau Front Populaire (NFP) und der Niederlage der Faschisten stellt sich die Frage einer Einheitsfront erneut und sehr konkret. Dabei müssen auch die politischen Gefahren gesehen werden. Denn diesmal muss – im Unterschied zur Volksfront in Frankreich 1936 – verhindert werden, dass die NFP antikapitalistische und antifaschistische Mobilisierungen abwürgt. Vielmehr muss sie Ausgangspunkt weiterer Mobilisierungen sein.
Intensive Diskussion
In zahlreichen Beiträgen wurde auf den Vortrag eingegangen. Hier kann nur eine kleine Auswahl wiedergeben werden.
Die französische Volksfront diente zwar der Kanalisierung des Elans der kampfwilligen Massen. Aber sie war nicht nur Verrat, sondern auch das Ergebnis einer starken Massenbewegung, die sich nach der Einheit sehnte.
Kritisch angemerkt wurde, dass die heutigen politischen Voraussetzungen nicht mehr dieselben wie 1933 sind. Die Adressaten der Einheitsfront waren damals starke Arbeiterparteien mit klassenbewusstem Massenanhang. Heute gibt es solche Parteien nicht mehr. Darum kann die Einheitsfronttaktik nicht einfach auf heute über- tragen werden.
Der faschistische Einfluss auch in der arbeitenden Klasse wächst stetig. Darum muss jetzt gehandelt werden.
Auch wenn viele Fragen offenbleiben mussten, war dieser Abend ein gelungener und lehrreicher Einstieg zum Thema Einheitsfront. Die Diskussion über die Einheitsfront sollte unbedingt weitergeführt werden. Vor allem aber ist der antifaschistische Kampf zu intensivieren.
Es bleibt zu hoffen, dass Helmut Dahmers Vortrag in Form eines Artikels bald auch denen zur Verfügung steht, die bei dieser Veranstaltung nicht dabei sein konnten.