Der aktuelle Arbeitskampf bei der Bahn (DB AG) ist zum Redaktionsschluss noch nicht beendet. Bis zum 3. März soll noch verhandelt werden. Danny Grosshans, 2. stellvertretender Vorsitzender der GDL Südwest, war zur 693. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 am 29.01.2024 eingeladen worden. Im Folgenden veröffentlichen wir wesentliche Auszüge seiner Rede.
Liebe „Oben-Bleiber“, … vielen Dank, dass Ihr uns Eure Bühne zur Verfügung stellt, um die Wahrheit zu sagen über unseren Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn AG …
Und ich möchte eines einmal klarstellen: Die Mitglieder der GDL treten im Streik nicht gegen die Fahrgäste oder die Güterverkehrskunden an, sondern wir treten gegen einen Bahnvorstand an, der die Eisenbahn jahrelang kaputtgespart hat. …
Wer auf die Eisenbahn angewiesen ist, erlebt täglich, wie marode das System ist. Verspätungen, verpasste Anschlusszüge, defekte Toiletten! …
Und eins kann ich Euch versichern: Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner schä- men sich dafür! Sie schämen sich, dass weder die Politik noch der Bahnvorstand Entscheidungen auf den Weg bringen, die die Eisenbahn als klimafreundliches Verkehrsmittel voranbringen. …
Was sie jedoch gut können, ist Geld ausgeben – Steuergelder! Immer neue Milliarden werden für Leuchtturmprojekte be- reitgestellt, welche am Ende das System Eisenbahn wenig bis gar nicht voranbringen. Stuttgart 21 ist ein leuchtendes Bei- spiel dafür. Seit der Planung haben sich die Kosten verdreifacht auf über 10 Milliarden Euro – und es ist eine Frechheit, dass dafür am Ende niemand verantwortlich ist und zur Rechenschaft gezogen wird!
Was sie auch gut beherrschen, ist die Berechnung ihrer Bonuszahlungen. Anstatt Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit als Kriterien heranzuziehen, sind Frauenquote im Unternehmen und gleichbleibende – nicht verbesserte, sondern gleich- bleibende – schlechte Mitarbeiterzufrieden-heit für die Auszahlung der Boni ausschlaggebend. Für die Kunden und für die Mitarbeiter ist das ein Schlag ins Gesicht! 5 Millionen Euro für eine Pünktlichkeit von gerade einmal 65 Prozent! 5 Millionen Euro für eine Schlechtleistung, die ihresgleichen sucht! ….
Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner haben es satt! Über 7 Millionen Stunden auf den Arbeitszeitkonten und über 20 Millionen Stunden auf den Langzeitkonten der Deutschen Bahn AG sind der Beweis: Die Kolleginnen und Kollegen leis- ten seit Jahren ihren Beitrag. Sie sind kaputt und können nicht mehr! Es gab noch nie so viele Anträge auf Teilzeit! Die wenigsten Kolleginnen und Kollegen bleiben bis zur Regelaltersrente in ihrem Beruf. Der durchschnittliche Eisenbahner geht mit 64 in Rente – nicht etwa, weil er im Lotto gewonnen hat, sondern weil der unregelmäßige Wechseldienst – wissenschaftlich bewiesen – die ungesündeste Form der Arbeitszeitgestaltung ist.
Und Nachwuchs? Pustekuchen! 365 Tage im Jahr, 7 Tage die Woche, Wochenende, Feiertage, das alles rund um die Uhr, will niemand mehr machen! …
Unsere Forderungen in der laufenden Tarifrunde zielen ganz klar darauf ab, die Berufe im Schichtdienst wieder attraktiver zu gestalten. Nur wenn das gelingt, haben wir im hart umworbenen Fachkräftemarkt über- haupt eine Chance, Berufseinsteiger für unsere Berufe zu begeistern und das vorhandene Personal spürbar zu entlasten. …
Nur der GDL ist es zu verdanken, dass der Eisenbahnmarkt so gestaltet ist, dass der Wettbewerb eben nicht mehr über die Lohnkosten – und somit auf dem Rücken der Be- schäftigten – stattfindet! Als wir im Jahr 2007 begonnen haben, fanden wir ein Delta von bis zu 40 Prozent vor, und wir haben einen Angleichungsprozess hinter uns, bei dem Arbeitszeitregelungen und Entgelt überall miteinander vergleichbar sind! …
Und was macht unsere Politik? Erst privatisieren sie die Eisenbahn und nehmen den Lokführern, Zugbegleitern und Fahrdienstleitern den Beamtenstatus, und jetzt faseln sie von kritischer Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Mit dem einzigen Ziel, den Eisenbahnern ihr demokratisches Grundrecht – nämlich das Streikrecht – zu entziehen! …
Und dann gibt es da noch das Tarifeinheitsgesetz. Die Schaffung dieses Gesetzes hatte das klare Ziel, kleine, aber gut organisierte Gewerkschaften mundtot und zahm zu machen. Am Beispiel der GDL sieht man – Ziel mächtig verfehlt! Das Gegenteil ist der Fall: Wenn ein Gesetz zur Anwendung kommt, das Mehrheiten fordert, braucht sich am Ende niemand zu wundern, wenn der Organisationsbereich erweitert wird, und Mehrheiten geschaffen werden.
Wie geht es jetzt weiter? Unser letzter Streik scheint Wirkung gezeigt zu haben. …
Bis zum 3. März wird verhandelt, und während dieser Zeit herrscht Friedenspflicht und Stillschweigen wurde vereinbart. Ich hoffe für unsere Mitglieder, für die Kunden der Eisenbahn und für das System Eisenbahn, dass die Verhandlungen auf Augenhöhe geführt werden, und am Ende die Berufe der Eisenbahn durch bessere Arbeitszeit- und Entgeltbedingungen wertgeschätzt werden! Fakt ist, weder unser Grundrecht auf einen Tarifvertrag für die Infrastruktur ist verhandelbar, noch werden wir uns von der 35-Stunden- und 5-Tage-Woche abbringen lassen!