Buchvorstellung
H. S.
Am 11. November 2022 fand im Bürgerhaus Neckarstadt-West die Vorstellung des vor kurzem im Neuer ISP-Verlag erschienenen Bands Für Einheitsfront gegen Faschismus statt.
Der persönlich anwesende Autor Wolfgang Alles befasst sich in der aktualisierten Neuauflage des Buchs nicht nur mit der „Politik und Geschichte der Linken Opposition ab 1930“, sondern insbesondere mit deren Analyse des katastrophalen Versagens der Führungen von SPD, KPD und Gewerkschaften angesichts der tödlichen faschistischen Gefahr.
In seinem Referat ging der Verfasser zunächst auf die Vorgeschichte und die Rahmenbedingungen der historischen Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik ein.
Konterrevolution 1918/19
Das Drama der organisatorisch stärksten und am besten bewaffneten Arbeiterklasse der damaligen kapitalistischen Welt sei von zwei Eckdaten bestimmt worden – der brutalen Niederschlagung der Novemberrevolution 1918/19 und der praktisch kampf- losen Kapitulation vor dem Faschismus Ende Januar 1933.
Die rohe Unterdrückung des politischen und sozialen Aufstands der radikalen Teile der arbeitenden Klasse 1918/19 sei das gemeinsame Werk von Mehrheits-SPD um Ebert-Noske, Kapitalverbänden, Reichswehr und Freikorps gewesen. Dieses konterrevolutionäre Bündnis habe, wie Sebastian Haffner in seinem auch heute noch sehr lesenswerten Buch Der Verrat zu Recht ausführe, der faschistischen Diktatur in Deutschland den Weg geebnet.
Wolfgang Alles schilderte anhand von weiteren wichtigen Wendepunkten, wie sich die Klassenkämpfe sowohl auf die Entwicklung in Deutschland als auch in Sowjetrußland ausgewirkt hatten. Der verpasste deutsche „Oktoberaufstand“ von 1923 habe nicht nur das Ende der 1917 in Europa begonnenen Phase antikapitalistischer Erhebungen eingeleitet, sondern gleichzeitig auch der reaktionären Bürokratisierung (der Stalinisierung) der Sowjetunion endgültig die Tür geöffnet.
Spaltung und Lähmung
Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 verstärkten die Führungen von SPD, KPD und Gewerkschaften unserem Referenten zufolge die politische Spaltung und Lähmung der deutschen Arbeiterbewegung. Die bedeutendste sozialdemokratische und die größte westliche kommunistische Partei wollten keine Einheitsfront gegen den Faschismus bilden.
Die deutschen Gewerkschaftsspitzen hätten nicht nur kampflos kapituliert, sondern sogar noch am 1. Mai 1933 die Kooperation mit der braunen Diktatur gesucht.
Welche negative Rolle der Antikommunismus der SPD und die So-zialfaschismuspolitik der KPD bei der Machtübergabe an Hitler gespielt haben, wurde vom Buchautor sehr anschaulich dargestellt.
Aufgrund dieser katastrophalen Politik sei die verheerende, bis heute nachwirkende Niederlage von 1933 möglich geworden. Sie hätte nicht nur die brutale Vernichtung aller Arbeiterorganisationen durch die blutige faschistische Diktatur in Deutschland ermöglicht, sondern auch den Holocaust, den Zweiten Weltkrieg und den Triumph des stalinistischen Terrorregimes in der UdSSR.
Einheitsfront als realistische Alternative
Wolfgang Alles betonte, dass die Linke Opposition alleine diese Entwicklung natürlich nicht hätte verhindern können. Aber sie habe durch ihr in Wort und Tat unermüdliches Eintreten für die Einheitsfront gegen den Faschismus eine realistische Alternative zu dem Versagen der Führungen von SPD, KPD und Gewerkschaften aufzeigen können.
In diesem Zusammenhang empfahl er die Auseinandersetzung mit der Faschismustheorie Leo Trotzkis, die aufgrund ihrer analytischen Stärke und ihrer wichtigen Handlungsempfehlungen auch heute noch von Bedeutung sei.
Zweifelsohne gebe es Unterschiede zu 1933. Die ökonomische, politische und mediale Macht der Konzerne habe im Spätkapitalismus eine bisher nicht bekannte Dimension erreicht. Das früher existierende politische Klassenbewusstsein der Arbeiterinnen und Arbeiter sei durch den Neoliberalismus weitgehend ausgelöscht worden. Zudem gebe es unmittelbare Bedrohungen für unser Überleben durch das riesige Arsenal an Massenvernichtungswaffen und die Umwelt- und Klimazerstörung.
Aber dennoch − oder gerade deswegen – sind für Wolfgang Alles die Grundgedanken der von der LO weiter entwickelten Taktik der Einheitsfront sehr aktuell. Nicht nur für den heutigen Kampf gegen das Entstehen einer neuerlichen faschistischen Massenbewegung, sondern auch gegen dessen nach wie vor fruchtbaren kapitalistischen Nährboden.
In der sich an das Referat anschließenden spannenden Diskussion stellte sich der Autor den vielfältigen Fragen und Debattenbeiträgen der Anwesenden. Unter dem Strich bleibt als Fazit: Das war ein sehr gelungener Abend, der hoffentlich Lust auf die Lektüre des vorgestellten Buchs gemacht hat.
Wolfgang Alles
Für Einheitsfront gegen Faschismus
Zur Politik und Geschichte der Linken Opposition ab 1930
Wissenschaft & Forschung 1
Aktualisierte Neuausgabe
Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Hermann Weber und einem aktuellen Nachwort des Autors
NeuerISPVerlag
305 Seiten, 29,80 €
ISBN 978-3-89 900-001-6