Demokratie ist mehr als Parlamentarismus
U. D.
Nach dem Ampel-Aus am 6. November und der Vertrauensfrage von Kanzler Scholz am 16. Dezember 2024 ist klar, dass am 23. Februar 2025 der Deutsche Bundestag neu gewählt wird.
Angesichts der tiefen kapitalistischen Krise und dem politischen Rechtsruck muss nach der Wahl mit einer verschärften nationalistisch-neoliberalen Politik im Interesse der Unternehmen und der Reichen gerechnet werden.
Die Zeichen stehen auf Sturm
Wieder einmal vernichten profitable Konzerne zehntausende Arbeitsplätze. Sie „bauen“ sich um, digitalisieren, rationalisieren, schließen komplette Werke und verlagern die Produktion an billigere Standorte, um Menschen und Natur noch intensiver auszubeuten. Gleichzeitig verstärken sie ihre Angriffe auf Belegschaften, Vertrauensleute und Betriebsräte.
Statt konsequente Gegenwehr zu organisieren, kommen die Gewerkschaftsführungen den Unternehmen sozialpartnerschaftlich entgegen, regeln „sozialverträglich“ Personalabbau und akzeptieren Kaufkraftverlust.
Genug ist nicht genug
Immer drängender fordern „Wirtschaft“ und Reiche günstigere „Rahmenbedingungen“, niedrigere Energiekosten, geringere Steuern, flexiblere Arbeit und weniger „Bürokratie“. Für Arbeitende, Arbeitslose und Rentner:innen und Bezieher:innen von Sozialleistungen fordern sie genau das Gegenteil: Verschlechterungen und härtere Regeln. Unterstützt werden sie dabei – trotz aller Unterschiede – von allen Parlamentsparteien mit der Ausnahme von Teilen der Linkspartei.
Ex-Minister Lindner hat mit seinem Papier „Wirtschaftswende Deutschland“ nicht nur die Ampel ausgeschaltet. Er hat die „Wünsche“ des Kapitals übernommen und ungeschminkt die aktuellen Ziele neoliberaler Politik formuliert: Auf der einen Seite die Verschlechterung von Bürgergeld und Rente, Sozialabbau, flexiblere Arbeitszeiten und Abschottung gegen Fliehende. Auf der anderen Seite niedrigere Steuern und „bessere“ Profitmöglichkeiten für Unternehmen und Reiche.
Mehr Milei und mehr Musk?
Lindner will mehr Milei und Musk. Milei und Musk vertreten die rücksichtslose Zerschlagung und Privatisierung staatlicher Dienste und drastischen Sozialabbau. Beide bekämpfen aggressiv Gewerkschaften und wollen im Interesse der Reichen sämtliche Profithemmnisse beseitigen. Beide vertreten ein reaktionäres Gesellschaftsmodell und Menschenbild. Und zu alle dem ruft Musk jetzt auch zur Wahl der AfD auf.
Wer mehr Milei und Musk will, will eine ultraharte neoliberale Politik gegenüber der gesamten arbeitenden Klasse durchsetzen. Genau dies droht vor allem, aber nicht nur, mit einer Kanzlerschaft von Merz. Merz ist neoliberal, unternehmens- und profitorientiert. Darüber hinaus ist er Alltagsrassist, steht für Aufrüstung, hat ein reaktionäres Frauenbild und will weniger Klimaschutz. Gemeinsam mit Söder greift er nicht nur die Hetze der AfD auf, sondern verstärkt bewusst den gesellschaftlichen Rechtsruck.
Kein Vertrauen in das Parlament …
1928 dichtete der Satiriker Kurt Tucholsky: „Ob die Funktionäre ganz und gar verrosten – is ja janz ejal! Ob der schöne Rudi den Ministerposten endlich kriegt – (das wird nicht billig kosten): is ja janz ejal! Dein Geschick, Deutschland, machen Industrien, Banken und die Schiffahrtskompanien – welch ein Bumstheater ist die Wahl!“
Dennoch sind uns Wahlen und das Parlament nicht egal. Erstens bieten sie die Möglichkeit, politische Ziele zu verbreiten. Zweitens muss verhindert werden, dass Faschisten Wahlen gewinnen und den parlamentarischen Machtapparat übernehmen können, um so den Staat in eine autoritäre Dik- tatur umzubauen.
Aber eine antikapitalistische, ökologische, emanzipatorische und basis- und rätedemokratische Veränderung kann mit Wahlen oder parlamentarischen Mitteln nicht durchgesetzt werden. Dazu ist der gesamte parlamentarische Apparat mit seinen Ausschüssen und seiner Ministerialbürokratie viel zu tief in den bürgerlich-kapitalistischen Staat integriert. Er ist darauf ausgerichtet, die kapitalistische Profitwirtschaft aufrecht zu erhalten. Und nicht zuletzt nehmen Konzerne, Investmentfonds und Milliardäre massiv Einfluss auf Politik und Gesetzgebung.
… sondern in die eigene Kraft
Eine Politik im Interesse der arbeitenden Klasse muss unter anderem Arbeitsplatzvernichtung, Sozialabbau, Wohnungsnot, Klimazerstörung, Aufrüstung, Rassismus, Faschismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit bekämpfen sowie für Frauenrechte und die universellen Grund- und Menschenrechte eintreten.
Eine solche Politik kann nur mit Selbstorganisation und eigenständigen, außerparlamentarischen Kämpfen durchgesetzt werden. Nur so kann die Kapitalmacht auf betrieblicher und politischer Ebene erfolgreich bekämpft werden. Nur so wird es gelingen, den politischen Rechtsruck umzukehren. Nur so können parlamentarische Mehrheiten verändert und Entscheidungen beeinflusst werden. Nur so lässt sich letztendlich wieder eine kämpferische und attraktive Linke aufbauen.