H. S.
Nach einer fünfmonatigen, erbittert geführten Auseinandersetzungen haben die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die Deutsche Bahn AG (DB AG) am 26. März 2024 einen Tarifabschluss erzielt, der für Eisenbahnerinnen und Eisenbahner wichtige Verbesserungen beinhaltet.
Gegen alle Widerstände des Bahnvorstands und übelster medialer und politischer Hetze ist es der Gewerkschaft gelungen, nicht nur das Hauptziel durchzusetzen, die Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeitende und den stufenweisen Übergang in die 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, sondern zudem noch akzeptable Entgelterhöhungen. Auch wenn die 35-Stundenwoche erst in 2029 endgültig erreicht sein wird, ist dies ein großer Erfolg, der ohne die Streiks nicht erreicht worden wäre.
Das sind die zentralen Vereinbarungen des Abschlusses:
• Allgemeine Erhöhung der Monatsentgelttabellen um einen Festbetrag in Höhe von 210 Euro zum 1. August 2024 und um weitere 210 Euro zum April 2025.
• Erhöhung bei Auszubildenden und Studierenden zu den gleichen Zeitpunkten hälftig.
• Erhöhung der dynamisierten Zulagen um jeweils vier Prozent zum 1. August 2024 und zum 1. April 2025
• Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie (IAP) in Höhe von 2.850 Euro (Teilzeitarbeitnehmer anteilig) und in Höhe von 1.425 Euro für Auszubildende und Dual-Studierende.
• Durchsetzung der Fünf-Tage-Woche mit Begrenzung der ma ximalen Länge von Arbeitsphasen von bisher 144 Stunden auf 120 Stunden ab 1. Januar 2025.
• Schrittweise Absenkung der jeweils maßgeblichen Referenzar beitszeit um drei Stunden von 2026 bis 2029 für Schichtarbeitende ohne anteilige Entgeltkürzung. Es soll aber die Möglichkeit geben, mehr Stunden zu arbeiten. Wer das möchte, erhält pro Stunde 2,7 Prozent mehr Entgelt.
• Zuschuss zum Deutschland-Ticket von monatlich 12,25 Euro.
• Keine Ausweitung des Geltungsbereiches der GDL-Tarifverträge auf InfraGO AG und RegioNetz Infrastruktur GmbH.
• Anpassung Besondere Teilzeit im Alter. Sie wird weiterhin mit dem Einstiegsalter von 59 Jahren beginnend fortgeschrieben. Dabei wird das Arbeitszeit-Soll auf 1.607 Stunden festgelegt (Wert der bisherigen 81 Prozent). Demnach sinkt das Arbeits zeit-Soll mit Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter nicht zusätzlich. Das Zugangsalter bleibt im Jahr 2024 zunächst bei 59 Jahren und wird dann in den Folgejahren bis 2030 pro Jahr um ein halbes Jahr angehoben.
• Die Laufzeit beträgt für die monetären Komponenten sowie die Regelung zur Fünf-Tage-Woche 26 Monate (bis 31. Dezember 2025). Alle weiteren Inhalte haben eine Laufzeit bis zum 31. De zember 2028.
Die GDL konnte sich mit der Forderung, die bestehenden Tarifverträge für den Netzbetrieb- und Netzinstandhaltung zu übernehmen, noch nicht durchsetzen. Sie will dies in der kommenden Tarifrunde aber erneut auf die Agenda setzen.
Allerdings gelang es der GDL alle Gegenforderungen des Bahnkonzerns abzuwehren. Dies betrifft unter anderem die Themen Arbeit in Arbeitszyklen (DB Cargo), Multifunktionales Transportpersonal (DB Cargo), Abwertung der Wochenendruhen, Erhöhung des Dispoanteils in der Monatsplanung, Anpassungen zum Jahresschichtrasterplan, Verrechnung von Minder- und Überstunden, Abfluss von Zeitguthaben aus dem Ausgleichskonto, Liquidation des FairnessPlan e. V.
Es lohnt sich zu streiken
Lange sah es so aus, als sei die DB AG zu keinerlei Arbeitszeitverkürzung zu bewegen, weil sie sich mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ja auch bloß auf eine Gehaltserhöhung verständigt hatte.
Nun ist es der GDL gelungen, dieses Tabu zu durchbrechen. Dass sie auch noch eine zusätzliche Lohnsteigerung um insgesamt 420 Euro brutto pro Monat rausgeholt hat, sollte der EVG zu denken geben, die sich mit nur 410 Euro zufriedengegeben hatte – ohne Arbeitszeitverkürzung.
Der GDL-Abschluss beweist trotz einiger Zugeständnisse, dass es sich lohnt, sich nicht unterkriegen zu lassen und zu kämpfen. Andere Gewerkschaften, für die der Begriff Erzwingungsstreik ein Fremdwort ist, müssten davon sehr viel lernen können.
Dass nun die DB AG so tut, als hätte sie der GDL unheimlich viel abgerungen, weil der Tarifabschluss auch Abweichungen von der Regelarbeitszeit nach oben bis zu einer 40-Stunden-Woche zulässt, ist allein dem Versuch der Gesichtswahrung geschuldet.
Wenn das Bahnvorstandsmitglied Seiler jetzt davon schwärmt, dies gebe den Beschäftigten „den individuellen Freiraum, sich für das zu entscheiden, das am besten zu ihnen und ihrer Lebensphase passt“, dann stimmt das zwar – aber zur Wahrheit gehört, dass die GDL keineswegs eine „Arbeitszeitverkürzung“ gefordert hatte, „die allen zwangsweise übergestülpt wird“, wie Seiler unterstellt.
Tatsächlich hat die GDL das Modell, das sie jetzt mit der DB vereinbart hat, bereits zuvor mit 29 kleineren Schienenverkehrsunternehmen abgeschlossen. Diese Flexibilität musste ihr also nicht mehr abgerungen werden. Entscheidend war für die GDL vielmehr das Ziel der 35 Stunden pro Woche als Regelarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich – wovon auch diejenigen etwas haben, die länger arbeiten wollen, weil sich die DB das jetzt etwas kosten lassen muss.
In den kommenden knapp zwei Jahren werden die Züge jedenfalls nicht mehr wegen eines Streiks der GDL verspätet kommen oder ausfallen. Die Verspätungen und Ausfälle sind wie bisher der maroden und kaputt gesparten Infrastruktur, dem katastrophalen Agieren des Bahn-Managements und letztlich einer Verkehrspolitik im Interesse der Autokonzerne geschuldet.