ISO-Info­abend August 2023

Der auf­halt­sa­me Auf­stieg der AfD - Was tun?“

K. M.

Unser Info­abend am 18. August 2023 stieß ange­sichts der aktu­el­len Rechts­ent­wick­lung auf reges Inter­es­se und hat­te einen inten­si­ven Aus­tausch zur Folge.

„Ukulele Modell ,Aiwanger‘ - weiß-blauer Anstrich auf braunem Grund“. (Foto: Privat.)

Uku­le­le Modell ‚Aiwan­ger‘ - weiß-blau­er Anstrich auf brau­nem Grund“. (Foto: Privat.)

Unser Refe­rent warf zunächst einen Blick zurück. Gegen den Erfolg der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918 for­mier­te sich schnell ein kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­res Bünd­nis aus Mehr­heits­so­zi­al­de­mo­kra­tie, Groß­ka­pi­tal, Reichs­wehr und prä­fa­schis­ti­schen Frei­korps. Es unter­drück­te bru­tal den Ver­such, eine sozia­lis­ti­sche Räte-Demo­kra­tie zu errichten.

Die­sem his­to­ri­schen Ver­bre­chen fie­len Rosa Luxem­burg, Karl Lieb­knecht und tau­sen­de auf­stän­di­scher Arbei­ter und Arbei­te­rin­nen zum Opfer. Die blu­ti­ge Nie­der­schla­gung radi­ka­ler Klas­sen­kämp­fe in der Zeit bis 1923 war ein wei­te­rer ent­schei­den­der Schritt, um spä­ter sowohl den Sieg des Faschis­mus in Deutsch­land als auch den des Sta­li­nis­mus in der UdSSR zu ermöglichen.

Im zwei­ten Teil sei­nes Vor­trags skiz­zier­te unser Refe­rent die Faschis­mus­ana­ly­se Ernest Man­dels. Sie beruht im We- sent­li­chen auf den scharf­sich­ti­gen War­nun­gen Leo Trotz­kis vor dem Auf­stieg der NSDAP vor 1933 und fasst sie in fünf Ent­wick­lungs­stu­fen zusammen.

Mar­xis­ti­sche Faschismusanalyse
In der ers­ten Stu­fe gera­ten par­la­men­ta­ri­sche Poli­tik und kapi­ta­lis­ti­sche Wirt­schaft in eine offe­ne Kri­se. Mil­lio­nen ver­ar­men. Exis­tenz­ängs­te brei­ten sich aus. Sie sind der Nähr­bo­den für eine rech­te Radi­ka­li­sie­rung. Der Ruf nach einem „star­ken Mann“ wird lauter.

In der zwei­ten Stu­fe ver­schärft sich der Klas­sen­kampf von oben. Sozi­al­ab­bau, Lohn­sen­kun­gen, Streik- und Gewerk­schafts­be­kämp­fung sind die Fol­gen. Die Bereit­schaft im Groß­ka­pi­tal zur Finan­zie­rung der extre­men Rech­ten wächst.

Die vor­ent­schei­den­de drit­te Stu­fe ist ein Kipp­punkt, der durch die mas­si­ve Zunah­me von Irra­tio­na­lis­mus, extre­mem Natio­na­lis­mus und Anti­se­mi­tis­mus gekenn­zeich­net ist. Sie ermög­licht das enor­me Wachs­tum der gewalt­tä­ti­gen NS-Bewe­gung vor allem im Klein­bür­ger­tum. Die Abwehr von Gewalt und Unrecht wird schwä­cher. Angst und Pas­si­vi­tät neh­men zu, außer in den Rei­hen der Akti­ven der Arbeiterbewegung.

In der vier­ten Stu­fe haben sich die Faschis­ten durch ihre poli­ti­sche Aus­strah­lung bereits eine rela­ti­ve Stär­ke erkämpft. Krei­se des Groß­ka­pi­tals sichern ihre „Wahl­kämp­fe“ und die Exis­tenz der Schlä­ger­trup­pen SA und SS finan­zi­ell ab.

In der fünf­ten und letz­ten Stu­fe gibt das Groß­ka­pi­tal grü­nes Licht für die Errich­tung der NS-Dik­ta­tur. Ihre Haupt­auf­ga­ben sind die Zer­schla­gung der Arbei­ter­be­we­gung, die damit ver­bun­de­ne Ver­schär­fung der Aus­beu­tung und die Kriegsvorbereitung.

Sozia­le Front gegen Faschismus
Im drit­ten Teil sei­nes ein­lei­ten­den Vor­trags gab unser Genos­se einen Über­blick über die Ent­wick­lung des Neo­fa­schis­mus nach 1945. Die Grün­dung von BRD und DDR fand ohne wirk­li­che „Ent­na­zi­fi­zie­rung“ statt. Die neo­li­be­ra­len Kon­ter­re­for­men in Deutsch­land, die „Glo­ba­li­sie­rung“ und der „Bei­tritt“ der DDR zur BRD 1990 hat­ten ver­hee­ren­de sozia­len Fol­gen für gro­ße Tei­le der arbei­ten­den Klas­se und schwäch­ten die Gewerkschaften.

Der vor­herr­schen­de Neo­li­be­ra­lis­mus ermög­lich­te den Auf­stieg des rech­ten „Popu­lis­mus“ und das Erstar­ken des Neo­fa­schis­mus. Des­sen Spin­nen­netz konn­te durch die Wahl­er­fol­ge der mitt­ler­wei­le vom brau­nen Höcke-Flü­gel domi­nier­ten AfD enorm gestärkt werden.

Die AfD ist im Bun­des­tag der­zeit viert­stärks­te Frak­ti­on. Sie kann ihre mit „Anti-Estab­lish­ment-Rhe­to­rik“ getarn­ten Lügen­kam­pa­gnen – wie der­zeit gegen Flüch­ten­de – mil­lio­nen­fach ver­brei­ten. Zur 24/7-Pro­duk­ti­on von Hass und Het­ze gegen Schwa­che ver­fügt sie über gro­ße Geld­mit­tel aus ihrem Par­la­ments-Bud­get von etwa 200 Mio. € für die lau­fen­de Legis­la­tur­pe­ri­ode 2021 - 2025. Zudem kann sie damit ca. 350 Stel­len finanzieren.

Im vier­ten und letz­ten Teil sei­ner Aus­füh­run­gen ver­such­te unser Refe­rent, Ant­wor­ten auf die Fra­ge „Was tun?“ zu for­mu­lie­ren. An ers­ter Stel­le nann­te er die Not­wen­dig­keit, gemein­sam akti­ver zu wer­den. So könn­te die Auf­klä­rung über die AfD und der Wider­stand in der Arbeits­welt und im All­tag gegen die Rechts­ent­wick­lung gestärkt wer­den. Eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung hier­für sah er bei Gewerk­schaf­ten sowie anti­fa­schis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen und sozia­len Bewegungen.

Zudem sei es erfor­der­lich, anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Kri­sen­lö­sun­gen zu ent­wi­ckeln und dabei am aktu­el­len Bewusst­sein anzu­knüp- fen. Die öffent­li­che Ver­tei­di­gung von Men­schen­rech­ten erfor­de­re den Auf­bau einer akti­ons­fä­hi­gen sozia­len Front der Soli­da­ri­tät ohne Grenzen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Okto­ber 2023
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