Mit Benko vom „Systemwarenhaus“ zum „Systemtarifvertrag“?
Helmut Born
Nach der Übernahme von Kaufhof durch die Signa-Gruppe des österreichischen Immobilienmoguls Benko und dem darauf folgenden Zusammenschluss mit Karstadt wird Kaufhof mächtig durcheinandergewirbelt und soll auf das Niveau von Karstadt zurechtgestutzt werden.
Vorausgegangen war der Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans mit dem Gesamtbetriebsrat (GBR) des Kaufhofs, in dem Benko die Akzeptierung seiner gesamten „Umbaupläne“ durch den GBR erreichen konnte.
Vereinbarungen bei Kaufhof
Dazu gehören vor allem:
• Die weitgehende Stilllegung der Kölner Zentrale.
• Massiver Personalabbau in den Filialen.
• Zerstückelung der Tätigkeiten im Verkauf nach Kasse, Auf füllen und Verkaufstätigkeit mit entsprechenden Um/Ab gruppierungen.
• Der weitgehende Abbau einer Ebene bzw. massive Personal reduzierung in den verschiedenen Ebenen (Abteilungsleiter- Innen, Erstkräfte, Geschäftsleitungen) d. h.in der Manager sprache „Verschlankung“.
• Die Ausgliederung der Hausverwaltungen in eine gemeinsa me Gesellschaft mit den Karstadt-Abteilungen.
• Die Ausgliederung der Lebensmittelabteilungen und Zusam menlegung mit den Karstadt-Lebensmittelabteilungen zu KarFein (Kooperation mit Rewe).
• Die Schließung der Lebensmittelabteilungen in Fulda und Düsseldorf-Wehrhahn zum 31.08.2019.
Diese Vereinbarungen wurden unter massivem Druck vom GBR am 15. Mai 2019 unterschrieben. Nur kurze Zeit später gab Benko bekannt, dass er dem alten Eigentümer des Kaufhofs, der Nordamerikanischen Hudson Bay Companie, die restlichen Anteile für ca. 1 Milliarde € abgekauft hat.
Am 5. August wurde mit dem GBR der Galeria Logistik ebenfalls ein Interessenausgleich/Sozialplan abgeschlossen, der eine weitgehende Schließung der Läger und damit den zusätzlichen Abbau von mindestens 1.000 weiteren Arbeitsplätzen vorsieht.
Ausstieg aus Tarifbindung
Zuvor hatte Benko bekannt gegeben, dass auch Kaufhof aus der Tarifbindung ausgestiegen und nun im Einzelhandelsverband Mitglied ohne Tarifbindung sei. Bei Karstadt läuft noch ein so- genannter Sanierungstarifvertrag, der den Beschäftigten bis 2021 Einkommen 12 % unterhalb des Flächentarifvertrages zumutet.
Da Benko davon spricht, dass die „Sanierung“ von Kaufhof mehrere Jahre dauert, möchte er auch bei Kaufhof einen ähnlichen Tarifvertrag wie bei Karstadt abschließen. Dagegen sprach sich die bei Kaufhof gebildete Tarifkommission ebenso aus wie die Tarifkommission von Karstadt. Beide Tarifkommissionen fordern die Rückkehr in den Flächentarifvertrag, aber nicht erst 2021, sondern jetzt. Es sei nicht einzusehen, dass Benko Milliarden für die Übernahme des Kaufhof ausgeben könne, aber die Beschäftigten nicht nach Tarif bezahle.
Darüber lässt Benko jedoch überhaupt nicht mit sich reden. Stattdessen unterbreitete er der Führung von ver.di einen Vorschlag für einen „Zukunftstarifvertrag“. Dieser solle die neue Struktur im Warenhauskonzern abbilden. Das heißt, dass die Aufteilung der Verkaufstätigkeiten dort klar definiert ist und Auseinandersetzungen um die Eingruppierung wie bei Karstadt beendet werden. Nach seinen Vorstellungen soll solch ein Tarifvertrag eine Laufzeit bis 2025 haben und sowohl für Kaufhof wie für Karstadt gelten.
Würde Benko dies durchsetzen, könnten die Karstadt-Beschäftigten ihre für 2021 vorgesehene Rückkehr in den Flächentarifvertrag vergessen. Aber offensichtlich möchte Benko auch gar nicht mehr zum Einzelhandelstarifvertrag zurück, sondern einen speziellen Tarifvertrag für die Sparte „Warenhaus“ erreichen.
Kampf für Tarifbindung
Im Juni versuchte die ver.di-Führung bei einem Treffen der Tarifkommissionen von Kaufhof und Karstadt in Kassel, eine gemeinsame Verhandlungskommission wählen zu lassen. Dieses Vorgehen fand allerdings dort keine Mehrheit. Die Tarifkommissionen forderten vielmehr erneut die Rückkehr in den Flächentarifvertrag.
In der laufenden Tarifrunde im Einzelhandel war die wichtigste Forderung neben 6,5 % Einkommenssteigerung die Wiedereinführung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags. Gleichzeitig sendet jedoch die ver.di-Führung das Signal, dass es in einem bedeutenden Konzern des Einzelhandels andere Regelungen geben könne. Damit signalisiert sie dem Einzelhandelsverband, dass auch in diesem Jahr die Forderung nach Allgemeinverbindlichkeit Verhandlungsmasse ist. Bei dem Tarifabschluss am 01.07.2019 spielte diese Forderung dann auch keine Rolle mehr.
Am 06.08.2019 wurden die Tarifkommissionen über die Vorstellungen der Unternehmensleitung unterrichtet. Sie drohte damit, die beiden Unternehmen zu fusionieren, wenn es zu keiner Einigung käme. Dann würde der Karstadt-Tarifvertrag auch für die Beschäftigten von Kaufhof gelten. Dies wurde von ver.di und den Mitgliedern empört zurückgewiesen.
Noch gibt es die Möglichkeit, mit Benko einen Anerkennungstarifvertrag abzuschließen, der die Rückkehr in die Tarifbindung bedeuten würde. Aber dafür muss gekämpft werden. Da bei solch einer Forderung auch die Friedenspflicht nicht gilt, könnte ver.di direkt in die Auseinandersetzung gehen.