Mit Men­schen­ket­ten gegen rech­te „Coro­na-Pro­tes­te“?

H. S.

Seit meh­re­ren Wochen gibt es auch in Mann­heim unan­ge­mel­de­te „Spa­zier­gän­ge“ gegen die Coro­na-Poli­tik der Regie­ren­den. Mit Paro­len wie „Frie­de, Frei­heit, kei­ne Dik­ta­tur“ und „Wider­stand“ pro­tes­tie­ren sie gegen die Coro­na-Schutz­maß­nah­men und vor allem das Imp­fen. Man­che der Teil­neh­men­den ver­hal­ten sich sehr aggressiv.

Aktion gegen rechte „Corona-Proteste“ in Weinheim, 24. Januar 2022. (Foto: Privat.)

Akti­on gegen rech­te „Coro­na-Pro­tes­te“ in Wein­heim, 24. Janu­ar 2022. (Foto: Privat.)

Am Mon­tag, den 27. Dezem­ber 2021, reg­te sich dage­gen erst­mals brei­ter orga­ni­sier­ter Wider­stand. Auf Initia­ti­ve zwei­er Grü­nen-Stadt­rä­te wur­de unter dem Mot­to „Uff­bas­se! Soli­da­ri­tät in der Pan­de­mie mit Abstand und Rück­sicht!“ zur Gegen­kund­ge­bung auf­ge­ru­fen. Ins­ge­samt bil­de­ten rund 500 Per­so­nen eine Men­schen­ket­te ums Rat­haus. Wegen der Ab- stands­hal­te­pflicht hat­ten sie sich unter­ein­an­der mit Schals verbunden.

Die Teil­neh­men­den an der Men­schen­ket­te mach­ten deut­lich, dass sie für Soli­da­ri­tät, Rück­sicht­nah­me, Imp­fen und die Ein- hal­tung der Coro­na-Schutz­maß­nah­men auf die Stra­ße gehen.
Am Ran­de des Para­de­plat­zes gab es zusätz­lich einen ange­mel­de­ten Info­stand der „Omas gegen Rechts“. Sie klär­ten mit Flug­blät­tern über die Unter­wan­de­rung der Mon­tags­de­mos durch faschis­ti­sche Kräf­te auf. Dabei wur­den sie von rech­ten „Spa­zier­gän­gern“ bedroht und von „Uffbasse!“-Unterstützern verteidigt.

An den bei­den dar­auf­fol­gen­den Mon­ta­gen wur­de die Men­schen­ket­te bis zum Para­de­platz ver­län­gert. Die Zahl der Betei­lig- ten stieg auf etwa 1.000 an.

Die Mann­hei­mer Initia­ti­ve erhielt gro­ße media­le Auf­merk­sam­keit und ermu­tig­te Ak-tive in vie­len ande­ren deut­schen Städ­ten zu ähn­li­chen Kund­ge­bun­gen – auch in Lud­wigs­ha­fen und Weinheim.

Coro­na-Pro­tes­te“ von rechts
Zu den „Spa­zier­gän­gen“ in Mann­heim hat­te unter ande­rem der rech­te Tele­gram-Kanal „Freie Pfäl­zer“ auf­ge­ru­fen, offen­sicht­lich in Anleh­nung an die erfolg­rei­chen Mobi­li­sie­run­gen der „Frei­en Sach­sen“ in Ostdeutschland.

Sol­che Pro­tes­te wer­den von den Rech­ten benutzt, um ihren faschis­to­iden Begriff von „Frei­heit“ auch im bür­ger­li­chen Lager zu eta­blie­ren. Wesent­li­che Tei­le der „Querdenker“-Szene haben ihn bereits über­nom­men. Sie haben kein Pro­blem damit, gemein­sam mit Rechts­po­pu­lis­ten und Faschis­ten zu demonstrieren.

Zudem fin­den die kru­des­ten Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen immer mehr Ver­brei­tung selbst bis in „lin­ke“ und gewerk­schaft­li­che Krei­se hin­ein. Das ist eine äußerst bedenk­li­che Entwicklung.
Natür­lich sind Pro­tes­te und Demons­tra­tio­nen in der Aus­ein­an­der­set­zung mit der Coro­na-Poli­tik not­wen­dig. Aber doch nicht, weil die Regie­rung zu viel macht, son­dern weil sie die Pan­de­mie nicht kon­se­quent bekämpft.

Den Regie­ren­den sind die Pro­fi­te der Kon­zer­ne wich­ti­ger als die Gesund­heit der Men­schen. So wur­de zum Bei­spiel die Pan­de­mie-Risi­ko­ana­ly­se der Bun­des­re­gie­rung von 2012 voll­stän­dig igno­riert. Dort sind die Aus­wir­kun­gen einer mög­li­chen Pan­de­mie im Detail beschrie­ben und dar­über hin­aus Hand­lungs­an­wei­sun­gen zur Prä­ven­ti­on formuliert.

Trotz­dem hat­ten die Regie­ren­den kei­ne Vor­sor­ge­maß­nah­men für eine Stär­kung des Gesund­heits­sys­tems oder zur Vor­hal­tung von aus­rei­chen­der Schutz­aus­rüs­tung getroffen.

Ver­ant­wort­li­che benennen
Die Ver­ant­wor­tung des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems und der Regie­rungs­po­li­tik für die jet­zi­ge Situa­ti­on muss benannt werden.

Zum Bei­spiel wegen
• der Zer­stö­rung der natür­li­chen Lebens- grund­la­gen von Mensch und Tier, die die Ent­ste­hung von Zoo­no­sen (Über­tra- gung von Viren vor allem durch Tie­re auf Men­schen) begünstigt
• der tie­fen Spal­tung der Gesell­schaf­ten in arm und reich, die sich gera­de in der Pan demie noch wei­ter verschärft
• der Nicht­frei­ga­be der Impf­stoff­pa­ten­te zur bes­se­ren Ver­sor­gung der ärme­ren Län­der mit den not­wen­di­gen Impfstoffen
• der unhalt­ba­ren Situa­ti­on im Pfleg­be- reich und die Über­las­tung der schlecht bezahl­ten Beschäftigten.

Das sind wich­ti­ge Punk­te, die auf den Demos und Aktio­nen sicht- und hör­bar gemacht wer­den müssen.

Not­wen­di­ge Kri­tik von links
Der not­wen­di­ge und berech­tig­te Pro­test gegen die Regie­rungs­po­li­tik kommt aber bei den Men­schen­ket­ten viel zu kurz, auch weil zu oft Lin­ke nicht mit den „eta­blier­ten“ Kräf­ten demons­trie­ren wol­len. Dabei wäre es gera­de beim The­ma Coro­na erfor­der­lich, anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche For­de­run­gen und regie­rungs­kri­ti­sche Posi­tio­nen auch in die­sem Milieu zu vertreten.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2022
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