Ein Tabu mit faschistischen Wurzeln
E. B.
Der Jurist Carl Nipperdey war Mitverfasser des faschistischen „Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit“. Es zementierte damals die Diktatur durch das „Führerprinzip“ in den Betrieben. Arbeiter und Angestellte wurden zu „Gefolgsleuten“ degradiert. Gewerkschaften und Betriebsräte waren verboten. Aktive wurden brutal unterdrückt.
In der BRD setzte Nipperdey zunächst als SPD-Mitglied seine Karriere fort. Er diffamierte den politischen Streik als „Gefährdung des Staates in der Autonomie seiner Willensbildung“ und stieg zum Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts auf (1954 bis 1963). In dieser Funktion hat er das sehr eingeschränkte, deutsche Arbeitsrecht bis heute geprägt. Das braune Erbe ist unverkennbar: Verbot politischer Streiks, Pflicht zur Treue für Beschäftigte und kein wirklicher Schutz für „Whistleblower“.
Das hierzulande lediglich durch Rechtsprechung verfügte Verbot politischer Streiks ist undemokratisch. Es verstößt gegen Artikel 6 (4) der Europäischen Menschenrechts- und Sozialcharta, gegen das Übereinkommen 87 (Vereinigungsfreiheit) und 98 (Versammlungsfreiheit) der Internationalen Arbeitsorganisation sowie gegen Artikel 9 (3) Grundgesetz (Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit).
Trotz alledem gab es immer wieder politische Streiks in Deutschland:
• 1968 gegen die Notstandsgesetze
• 1972 gegen den Versuch, Kanzler Willy Brandt zu stürzen
• 1996 gegen den Plan der Regierung Kohl, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kürzen
• 2007 gegen die Rente mit 67.
Angesichts von Aufrüstung, Klimakatastrophe und Gewerkschaftsbekämpfung ist es höchste Zeit, den politischen Streik als Mittel demokratischer Notwehr wieder einzuüben.