H. N.
Anfang 1968 deutet in Frankreich wenig auf einen historischen Aufstand hin. Ende März bricht an der Universität Nanterre ein Konflikt um das Recht auf freie Meinungsäußerung aus. Er wird kaum beachtet. Als aber nach anhaltenden Protesten der Studierenden die literarische Fakultät in Nanterre geschlossen wird, springt der Funke am 3. Mai über. Schnell wächst die Empörung über brutale Polizeieinsätze gegen die Jugendproteste massiv an. Die Gewerkschaften rufen für den 13. Mai zu einem eintägigen Generalstreik auf.
Gegen den Willen der größten Gewerkschaft CGT, die von der stalinistischen KPF kontrolliert wird, bricht ein Flächenbrand aus. Am 14. Mai beginnen Arbeiter in Nantes einen Sitzstreik. 10 Tage später streiken neun bis zehn Millionen ArbeiterInnen und Angestellte praktisch im ganzen Land. Fast alle Lebensbereiche sind von diesem spontanen Generalstreik erfasst. Hunderte Betriebe werden von den Beschäftigten besetzt. Regierung und Kapital, aber auch die parlamentarische Linke sind zunächst gelähmt. Für wenige Tage ist alles möglich.
Am 27. Mai unterzeichnen Kapitalisten, Gewerkschaftsführungen und Regierung die Abkommen von Grenelle. Sie führen zur Erhöhung des Mindestlohns (35%) und der Tarifentgelte, zur Verkürzung der Arbeitszeit, zu mehr Mitbestimmung und anderen arbeitsrechtlichen Verbesserungen.
Die Auflösung der Nationalversammlung am 30. Mai, die Ankündigung von Neuwahlen für den 23. Juni und rechte Gegendemonstrationen leiten das Ende der Revolte ein. Aber erst am 18. Juni 1968 gelingt es den Gewerkschaftsführungen, die Massenstreikbewegung zu beenden.
Auch 50 Jahre später ist der Generalstreik in Frankreich nicht vergessen.
aus der Avanti² Rhein-Neckar Mai 2018