U. D.
Die von Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ war das Startsignal für einen verschärften po- litischen Rechtsruck. Damit verbunden sind Aufrüstung, Nationalismus und verschärfte Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Klasse.

Gewerkschaftlicher Widerstand in Belgien, 24. September 2021. (Foto: FGTB Wallone.)
Tagtäglich propagieren Konzernbosse, neoliberale Professor: innen und Politiker:innen das Ende des „Sozialstaats“. Sie fordern noch profitablere Rahmenbedingungen für Unternehmen, weitere Flexibilisierungen des Arbeitsrechts und massive Kürzungen im Sozialbereich. Ob Bürgergeld, Rente, Pflege- versicherung, Gesundheitsversorgung oder 8-Stunden-Tag – es gibt keine Tabus mehr.
Für die große Mehrheit der Bevölkerung bedeutet dies noch mehr Druck, soziale Unsicherheit und Existenzangst – für eine kleine Minderheit noch mehr Reichtum, Einfluss und Macht.
Die Regierung Merz/Klingbeil setzt diese Politik bereitwillig um; bei Bedarf auch mit autoritären Mitteln wie Sanktionen. Gleichzeitig spaltet sie mit „Stadtbild“- und Bürgergeldhetze die arbeitende Klasse und schwächt so den möglichen Widerstand.
Dies alles fördert den gesellschaftlichen Rechtsruck und den weiteren Aufstieg der autoritären, religiös-fundamentalistischen und faschistischen Rechten.
EU- Agenda: Aufrüstung und Sozialabbau
Diese Politik ist kein deutsches Phänomen. Sie folgt einer EU-Agenda des Kapitals, die seit Jahrzehnten von deutschen Regierungen wesentlich „mitgestaltet“ wird. Kernziele dieser Agenda sind Aufrüstung und Sozialabbau, Abbau öffentlicher Dienste, nie- drigere Unternehmens- und Vermögenssteuern, Privatisierung, Flexibilisierung und Deregulierung.
Auch die Umsetzung dieser Agenda erfolgt überall mit denselben Methoden. Politische, wirtschaftliche und militärische Krisen werden genutzt, um zu begründen und durchzusetzen, was seit langem geplant ist.

FGTB-Plakat zum Generalstreik am 26. November.2025. (Foto: FGTB.)
Von Belgien lernen
Wie rücksichtslos diese EU-Agenda letztendlich durchgesetzt werden soll, zeigte sich Anfang 2025 auch in Belgien. Die Regierung plante umfangreiche Verschlechterungen: Das Rentenalter soll angehoben werden, Krankengeld und Arbeitslosen- geld gekürzt, die Lohnindexierung – ein zentraler Schutzmechanismus gegen Inflation – angegriffen werden. Gleichzeitig wurden Steuergeschenke für Unternehmen beschlossen, während für die arbeitende Klasse schlechtere Arbeitsbedingungen und längere Wochenarbeitszeiten vorgesehen waren.
Auf diese Angriffe reagierten die drei großen Gewerkschaftsdachverbände FGTB, CSC und CGSLB nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. Sie organisierten im März 2025 und erneut im November 2025 erfolgreich Generalstreiks und verhinderten so ein parlamentarisches „Durchwinken“ des Kürzungspakets.
Höchste Zeit für solidarische Gegenwehr von unten
Die Situation in Deutschland ist nicht grundlegend anders als in Belgien. Auch in Deutschland wird versucht, die Krise auf dem Rücken der arbeitenden Klasse auszutragen. Seit Monaten werden Hunderttausende Arbeits- und Ausbildungsplätze vernichtet und die Regierung Merz/Klingbeil hat mit dem „Herbst der Reformen“ ihren Angriff auf die Sozialsysteme gestartet.
Aber während die belgischen Gewerkschaften streiken, verhalten sich die deutschen Gewerkschaften weitgehend still. Statt Massenproteste und Streiks zu organisieren, kündigen die Gewerkschaftsführungen bislang nur Protest an, ohne Aktionen folgen zu lassen. Sie hoffen hilflos auf den konstruktiven Dialog mit „Sozialpartnern“ und Regierung, obwohl diese längst entschieden haben, dass der soziale Kahlschlag alternativlos ist.
Diese Haltung ist strategisch falsch und gefährlich. Denn jede Maßnahme, die ohne Widerstand umgesetzt werden kann, lädt zum nächsten Angriff ein. Wer heute beim Bürgergeld schweigt, hat morgen keine Kraft, um eine Verschlechterung der Renten zu verhindern. Wer heute die Ausweitung der Arbeitszeit hinnimmt, hat morgen keine Kraft, um die Verschlechterung des Kündigungsschutzes zu verhindern.
Für unsere Leben! Gegen ihre Profite!
Es ist höchste Zeit für solidarische Gegenwehr von unten. Nur so können die Angriffe abgewehrt werden. Nur so können auch Gewerkschaften und Verbände zum Handeln bewegt werden.
Je länger gewartet wird, desto stärker werden die Angriffe, desto stärker verbreiten sich Resignation, das Gift der Spaltung und die Zustimmung zur faschistischen Rechten.
Darum versuchen wir als ISO-Aktive überall dort, wo wir leben, lernen und arbeiten, einen solchen Widerstand vorzuschlagen und mit zu organisieren. Das belgische Beispiel zeigt, was möglich ist. Die Frage ist nur, ob die Bereitschaft für solidarische Gegenwehr wächst – für unsere Leben, gegen ihre Profite.
