Betriebs­ar­beit in Zei­ten der „Coro­na-Pan­de­mie“

Ein Gespräch mit Betriebs­rä­tin­nen und Betriebs­rä­ten (II.Teil)*

 

Seit Wochen sind die COVID-19-Pan­de­mie und die damit ver­bun­de­nen Ein­schrän­kun­gen die vor­herr­schen­den The­men. Ande­re Pro­ble­me scheint es nicht mehr zu geben. Für uns Grund genug, mit Kol­le­gIn­nen aus Che­mie-, Metall- und Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­men über die aktu­el­le betrieb­li­che Situa­ti­on zu reden.

Kundgebung am 1. Mai auf dem Marktplatz in Mannheim (Foto: helmut-roos@web.de)

Kund­ge­bung am 1. Mai auf dem Markt­platz in Mann­heim (Foto: helmut-roos@web.de)

Wie ver­hal­ten sich Eure KollegInnen?
Hei­ko: Der Groß­teil mei­ner Kol­le­gIn­nen ist froh, nicht von Kurz­ar­beit oder Ent­las­sung bedroht zu sein. Man­che hal­ten die Coro­na-Kri­se für Panik­ma­che und sehen sich selbst und ihre Fami­lie nicht gefähr­det. Die­je­ni­gen, die Ver­wand­te in Ita­li­en haben, sehen dies völ­lig anders. Manch­mal führt dies zu hef­ti­gen Streitereien.

Cla­ra: Bei uns spü­re ich eher Unsi­cher­heit und bei man­chen Angst zu erkran­ken. Sie sind froh, wenn sie arbei­ten kön­nen und wei­ter­hin ihren Lohn erhal­ten. Aber sie kön­nen die Lage nicht ein­schät­zen und fürch­ten, dass doch noch Kurz­ar­beit kommt.

Kevin: Mei­ne Kol­le­gIn­nen arbei­ten mit vol­lem Ein­satz. Sicher, es gibt eine gewis­se Coro­na-Furcht, aber die Angst vor dem Arbeits­platz­ver­lust über­wiegt. Das Unter­neh­men hat ja bereits mit­ge­teilt, dass Befris­te­te oder erst kürz­lich Ein­ge­stell­te even­tu­ell „gehen dür­fen“. Zorn oder Wider­stand wie in Ita­li­en sehe ich nicht.

Wer­den im Unter­neh­men „Opti­mie­rungs-Pro­jek­te“ und Ver­kaufs­ab­sich­ten weiterverfolgt?
Kevin: Ja. Auch wenn im Betrieb vor allem über Infek­ti­ons­schutz gere­det wird, wer­den die „Opti­mie­rungs­pro­jek­te“ fort­ge­führt. Zum Teil im „Hin­ter­grund“. Ich habe den Ein­druck, dass jetzt erst recht ver­sucht wird, Fak­ten zu schaf­fen und zwar ohne Ein­be­zie­hung des Betriebsrates.

Cla­ra: Das sehe ich genau­so. Und ich fürch­te, wir wer­den Schwie­rig­kei­ten haben, das als Betriebs­rat alles wie­der „ein­zu­fan­gen“. Vie­le Maß­nah­men wur­den ja von der Unter­neh­mens­lei­tung ohne Betriebs­rat ver­ord­net. Ein gutes Bei­spiel ist das Home­of­fice. Wir haben dafür noch kei­ne betrieb­li­che Ver­ein­ba­rung, die die Arbeits­be­din­gun­gen und die Arbeits­zeit regelt. Ich glau­be, dass in der „Kri­se“ vie­le Unter­neh­men ver­su­chen, Rege­lun­gen auf­zu­wei­chen oder dau­er­haft zu umgehen.

Wer­den die Infor­ma­ti­ons-, Bera­tungs- und Mit­be­stim­mungs­rech­te des BR beachtet?
Cla­ra: Das ist wider­sprüch­lich. Einer­seits gibt es sei­tens der Unter­neh­mens­lei­tung schon Infor­ma­tio­nen. Und es gibt auch Bera­tun­gen. Aber gleich­zei­tig wer­den immer wie­der Ent­schei­dun­gen – auch kurz­fris­tig – getrof­fen, ohne dass der BR vor­her gefragt wur­de. Auch dort, wo wir „har­te Mit­be­stim­mung“ hät­ten. Ande­rer­seits nutzt die BR-Mehr­heit sowie­so nicht kon­se­quent die bestehen­den BR-Rech­te. Sie ist sozi­al­part­ner­schaft­lich und nicht wider­stän­dig. Das hat sich durch Coro­na ja nicht geändert.

Kevin: Es gibt regel­mä­ßi­ge Bespre­chun­gen, bei denen wir dabei sind. Aber wie gesagt, für die Chef-Eta­ge ist ja schon die uns gesetz­lich zuste­hen­de Mit­be­stim­mung ein „rotes Tuch“. Ins­be­son­de­re beim Arbeits­schutz. Die jet­zi­ge Tak­tik der Chefs ist nicht, unse­ren Ein­fluss zu ver­rin­gern, son­dern uns vor den Kar­ren ihrer Coro­na-Maß­nah­men zu span­nen. Es gibt Betriebs­rä­te, die die­ses Spiel nicht erken­nen und mit guten Absich­ten mit­ma­chen. Ich bin dafür, zu kon­trol­lie­ren und mit­zu­be­stim­men. Aber nicht, deren Ent­schei­dun­gen mit zu ver­ant­wor­ten. Immer wenn es schwie­rig wird, wol­len die uns als Befrie­dungs­mit­tel nut­zen. Ansons­ten sol­len wir den Mund hal­ten und kuschen.

Hei­ko: Unse­re Stand­ort­lei­tung und beson­ders die „klei­nen“ Vor­ge­set­zen sind von unse­rer Mit­be­stim­mung beim Arbeits- und Gesund­heits­schutz sowie­so genervt. Dar­um wird von Unter­neh­mens­lei­tung und direk­ten Vor­ge­setz­ten schon ver­sucht, ohne Ein­be­zie­hung des BR zu han­deln. Ein­zel­ne Vor­ge­setz­te ver­su­chen, nicht frei­ge­stell­te Betriebs­rä­tIn­nen unter Druck zu set­zen oder ihre Ent­schei­dun­gen unwi­der­spro­chen durchzudrücken.

Tom: Ich kann schon ver­ste­hen, dass unser BR von den vie­len „klei­nen“ Din­gen, die vom Unter­neh­men – und auch von den Auf­trag­ge­bern – geän­dert wer­den, über­for­dert ist. Aber solan­ge er nur ver­är­gert zuschaut, nicht die Beleg­schaft mobi­li­siert und arbeits­recht­lich dage­gen vor­geht, wird sei­ne Posi­ti­on wei­ter geschwächt. Natür­lich wird ein Teil der Ent­schei­dun­gen nicht nur von Coro­na getrie­ben, son­dern vor allem von den Auf­trags­fir­men. Da nützt Dir manch­mal auch die Mit­be­stim­mung nichts. Wir bräuch­ten hier auch eine stär­ke­re Zusam­men­ar­beit mit den Betriebs­rä­ten der Auftragsgeber.

* [Das Gespräch fand Mit­te April statt. Teil I wur­de in Avan­ti² Nr. 69 von Mai 2020 ver­öf­fent­licht. Die Namen wur­den zum Schutz der Teil­neh­men­den geän­dert. Die Fra­gen stell­te U.D.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juni 2020
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