Mie­ten­wahn­sinn Wem gehört die Stadt?

Ein Gespräch mit Karl­heinz Paskuda*


Wir haben mit Karl­heinz Pas­ku­da über die zuneh­mend schwie­ri­ge Lage von Mieter*innen und über mög­li­che Alter­na­ti­ven zur herr­schen­den Woh­nungs­po­li­tik gespro­chen. Karl­heinz ist vor Ort aktiv beim Offe­nen Stadt­teil­tref­fen Neckar­stadt (OST), bei „Wem gehört die Stadt?“ (WGDS?) und beim Mie­ter­ver­ein Mann­heim. Über­re­gio­nal enga­giert er sich bei der bun­des­wei­ten Orga­ni­sa­ti­on „Mie­ten­wahn­sinn“, den „Kri­ti­schen Immobilienaktionär*innen“, im Netz­werk „Mie­ten & Woh­nen“ und beim „Deut­schen Mieterbund“.

Transparent in der Neckarstädter Uhlandstraße (Foto. OST)

Trans­pa­rent in der Neckar­städ­ter Uhland­stra­ße (Foto. OST)

Du bist in ver­schie­de­nen Miet­in­itia­ti­ven regio­nal und über­re­gio­nal aktiv. Wie gelingt es, loka­le Mieter*inneninitiativen mit­ein­an­der und mit über­re­gio­na­len Akteur*innen zu vernetzen?
Lokal klappt die Ver­net­zung vor allem in Ber­lin opti­mal: Die ca. 300 Mieter*innen-Initiativen der Stadt sind zu gro­ßen städ­ti­schen Aktio­nen fähig. Bun­des­weit ist allen Akteur*innen klar, dass nur das Zusam­men­wir­ken Aller erfolg­ver­spre­chend ist. Da passt es ganz gut, dass es gro­ße Akteur*innen gibt, die Res­sour­cen haben, aber weni­ger beweg­lich sind, und vie­le klei­ne­re Akteur*innen, die ihre Mobi­li­sie­rungs­fä­hig­keit ein­brin­gen können.

Außer­halb Ber­lins wird jedoch vie­ler­orts beklagt, dass die Akti­vie­rung von Mieter*innen grö­ßer sein könn­te, zumal ja sehr vie­le Men­schen betrof­fen sind. Zu vie­le zie­hen sich aus Initia­ti­ven wie­der zurück, wenn ihr indi­vi­du­el­les Pro­blem gelöst ist. Das gilt lei­der auch in Mannheim.

Gibt es Ansät­ze wie die Kam­pa­gne „Deut­sche Woh­nen & Co. ent­eig­nen!“ in Ber­lin auch in ande­ren Tei­len Deutsch­lands? Wel­che Poten­zia­le siehst Du?
Die Kam­pa­gne Deut­sche Woh­nen (DW) ent­eig­nen fin­det in Ber­lin viel Zustim­mung. Sie for­dert die Ver­ge­sell­schaf­tung aller Kon­zer­ne, die in der Stadt mehr als 3.000 Woh­nun­gen besit­zen. (DW hat in Ber­lin 115.000 Woh­nun­gen, zehn wei­te­re Kon­zer­ne haben jeweils über 3.000 Woh­nun­gen.) Hier wird es 2021 super span­nend: 170.000 gül­ti­ge Unter­schrif­ten müs­sen gesam­melt wer­den. Dann wird es par­al­lel zur Bun­des­tags­wahl in Ber­lin die­se Volks­ab­stim­mung geben. Das wird sich auf die Ver­ge­sell­schaf­tungs­for­de­run­gen auch in den ande­ren Bun­des­län­dern aus­wir­ken, wo sie zur­zeit nicht die hohen Zustim­mungs­wer­te haben. Das wird sich bei einem Erfolg in Ber­lin ändern und auch der bun­des­wei­ten For­de­rung „Von­o­via & Co ent­eig­nen!“ Auf­trieb geben.

Was muss pas­sie­ren, damit Woh­nen an den Bedürf­nis­sen der Bewohner*innen aus­ge­rich­tet wird?
Kurz­fris­tig: Schaf­fung von mehr preis­wer­tem Wohn­raum durch kom­mu­na­le Woh­nungs­bau-Gesell­schaf­ten, Genos­sen­schaf­ten und Miets­häu­ser-Syn­di­kats­pro­jek­ten, För­de­rung durch die NWG (Neue Wohn­ge­mein­nüt­zig­keit), Mie­ten­de­ckel in allen Bun­des­län­dern. Mit der NWG wer­den auch „Mieter*innen-Räte“ gefor­dert, die wich­ti­ge (Mit­be­stim­mungs-) Rech­te haben sollen.

Mit­tel­fris­tig: Ver­ge­sell­schaf­tung aller Immo­bi­li­en-Kon­zer­ne, Boden­wert­steu­er, Bekämp­fung aller Pro­fi­te mit der Mie­te, Abschöp­fung aller Spekulationsgewinne.

Lang­fris­tig: Ver­wirk­li­chung des Prin­zips „Wohn­raum ist kei­ne Ware“, z. B. die Begren­zung des Eigen­tums auf ein Haus (Eigen­nut­zung).

Wie stellst Du Dir eine Zusam­men­ar­beit mit Initia­ti­ven und Orga­ni­sa­tio­nen vor, die sich zu ande­ren The­men engagieren?
Letzt­lich geht es bei den vie­len ande­ren poli­ti­schen Arbeits­fel­dern weit­ge­hend um den glei­chen Kon­flikt: Kampf gegen das Kapi­tal, das die Pro­duk­ti­ons­mit­tel und auch die Häu­ser besitzt. Die Ver­flech­tung die­ser Akti­ons­fel­der mit der Woh­nungs­po­li­tik ist evi­dent: Hohe Mie­ten füh­ren schon jetzt dazu, dass sich gan­ze Berufs­grup­pen eine Woh­nung in eini­gen Städ­ten nicht mehr leis­ten kön­nen. Die Umwelt­be­we­gung muss sich mit der Woh­nungs­po­li­tik aus­ein­an­der­set­zen, um zu dis­ku­tie­ren, wo und unter wel­chen Bedin­gun­gen Woh­nun­gen gebaut wer­den kön­nen, und wie und zu wes­sen Las­ten bestehen­de Woh­nun­gen an die Umwelt­be­din­gun­gen ange­passt wer­den. Und Flüch­ten­de haben oft auf dem pri­vat orga­ni­sier­ten Woh­nungs­markt kei­ne Chan­cen auf eine akzep­ta­ble Woh­nung bzw. sind hier die von Aus­beu­tung am stärks­ten Betroffenen.

* [Die Fra­gen stell­te N. B.]
Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2021
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