200 Jah­re Karl Marx (9.Teil)

Tech­no­lo­gie ist nicht neutral

 

Manu­el Kellner

 

Alt­be­kannt ist die Idee, ein Ham­mer kön­ne dazu die­nen Nägel oder Köp­fe ein­zu­schla­gen. In ähn­li­chem Sin­ne schreibt Karl Marx im ers­ten Band des Kapi­tal zur Maschi­ne­rie der moder­nen Industrie.

Da also die Maschi­ne­rie an sich betrach­tet die Arbeits­zeit ver­kürzt, wäh­rend sie kapi­ta­lis­tisch ange­wandt den Arbeits­tag ver­län­gert, an sich die Arbeit erleich­tert, kapi­ta­lis­tisch ange­wandt ihre Inten­si­tät stei­gert, an sich ein Sieg des Men­schen über die Natur­kraft ist, kapi­ta­lis­tisch ange­wandt den Men­schen durch die Natur­kraft unter­jocht, an sich den Reich­tum des Pro­du­zen­ten ver­mehrt, kapi­ta­lis­tisch ange­wandt ihn ver­pau­pert usw., erklärt der bür­ger­li­che Öko­nom ein­fach, das Ansich­be­trach­ten der Maschi­ne­rie bewei­se haar­scharf, dass alle jene hand­greif­li­chen Wider­sprü­che blo­ßer Schein der gemei­nen Wirk­lich­keit, aber an sich, also auch in der Theo­rie, gar nicht vor­han­den sind.“ (MEW 23, 465.)

Kapi­ta­lis­ti­sche Despotie
Wenn die für Lohn arbei­ten­den Men­schen in früh­ka­pi­ta­lis­ti­scher Zeit also zunächst die Maschi­nen zer­schlu­gen, dann irr­ten sie sich in der Bestim­mung ihres Feinds. Für höhe­re Löh­ne, bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen, Ver­kür­zung der Arbeits­zeit und gegen die Aus­beu­tung durch die Kapi­ta­lis­ten zu kämp­fen, war dann Aus­druck eines bes­se­ren Ver­ständ­nis­ses der Grün­de ihrer ver­zwei­fel­ten Lage.

Karl Marx als Ampelmännchen in Trier (Foto-Avanti²)

Karl Marx als Ampel­männ­chen in Trier (Foto-Avan­ti²)

Bei Marx und sei­nem Freund Fried­rich Engels gibt es auch genü­gend Text­stel­len, die bele­gen, dass sie die Des­po­tie der moder­nen Indus­trie selbst über­win­den woll­ten, zum Bei­spiel fol­gen­de: „Wenn der Mensch mit Hil­fe der Wis­sen­schaft und des Erfin­der­ge­nies sich die Natur­kräf­te unter­wor­fen hat, so rächen sich die­se an ihm, indem sie ihn, in dem Maße, wie er sie in sei­nen Dienst stellt, einem wah­ren Des­po­tis­mus unter­wer­fen, der von aller sozia­len Orga­ni­sa­ti­on unab­hän­gig ist.“ „Das Reich der Frei­heit“ lag daher für Marx und Engels „jen­seits der Sphä­re der eigent­li­chen mate­ri­el­len Pro­duk­ti­on“. (MEW 25, 828.)

Zer­stö­rung von Mensch und Natur 
Bei­de schrie­ben auch immer wie­der über die Zer­stö­rung von Wäl­dern, die Ver­gif­tung von Flüs­sen und Luft, die rui­nö­se Aus­beu­tung von Roh­stof­fen usw. Bei Marx erscheint die kapi­ta­lis­tisch ent­wi­ckel­te Tech­no­lo­gie im Bereich der Land­wirt­schaft als am wenigs­ten neutral.

Und jeder Fort­schritt der kapi­ta­lis­ti­schen Agri­kul­tur ist nicht nur ein Fort­schritt in der Kunst, den Arbei­ter, son­dern zugleich in der Kunst, den Boden zu berau­ben, jeder Fort­schritt in Stei­ge­rung sei­ner Frucht­bar­keit für eine gegeb­ne Zeit­frist zugleich ein Fort­schritt im Ruin der dau­ern­den Quel­len die­ser Frucht­bar­keit. Je mehr ein Land, wie die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Nord­ame­ri­ka z.B., von der gro­ßen Indus­trie als dem Hin­ter­grund sei­ner Ent­wick­lung aus­geht, des­to rascher die­ser Zer­stö­rungs­pro­zess. Die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­on ent­wi­ckelt daher nur die Tech­nik und Kom­bi­na­ti­on des gesell­schaft­li­chen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses, indem sie zugleich die Spring­quel­len alles Reich­tums unter­gräbt: die Erde und den Arbei­ter.“ (MEW 23, 529 f.)

Die Stei­ge­rung der Pro­duk­tiv­kräf­te war für Marx kein Selbst­zweck. Sie soll­te der Schaf­fung von mög­lichst viel frei­er Zeit die­nen, in der die Men­schen ihre Fähig­kei­ten und Anla­gen schöp­fe­risch und ent­wi­ckeln. Der Kampf um Arbeits­zeit­ver­kür­zung bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich ist auch des­halb schon jetzt von beson­de­rer Bedeutung.

Eine sozia­lis­ti­sche Gesell­schaft muss auf über­flüs­si­ge und schäd­li­che Pro­duk­tio­nen und man­che mög­li­che Stei­ge­rung der Arbeits­pro­duk­ti­vi­tät etwa durch ener­gie­in­ten­si­ve Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren ver­zich­ten. Des­we­gen ist die Kon­ver­si­on vie­ler Pro­duk­tio­nen – zum Bei­spiel der Chlor­che­mie – im Sin­ne öko­lo­gi­scher Ver­ant­wort­lich­keit unabdingbar

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2018
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